Der Bauausschuss stimmte mehrheitlich für den Architektenwettbewerb zu einer Bebauung des Biotops an der Würm mitten in Gauting. Im Juli sollen die Entwürfe der Architekten vorliegen, um dann von einem Preisgericht bewertet zu werden. Einer der Siegerentwürfe wird dann ausgeplant. Kleinere Änderungen sind dann noch möglich.
Bislang ist es verboten, in dem seit jeher naturbelassenen Gelände am Westufer zu bauen. Der Flächennutzungsplan müsste von nicht bebaubarem Außenraum auf Wohnraumfläche geändert werden. Die Genehmigung hierfür müsste die Bezirksregierung geben. Anschließend würde die Gemeinde einen Bebauungsplan erstellen, in dem wesentliche Merkmale dieses Bauvorhabens festgehalten werden. Und dann könnten die Erben von Stanz-Schmidt ihren Bauantrag einreichen.
Der "Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München" (Dr. Kössinger, 1. stellvertretende Vorsitzende) hatte den Entwurf für den Architektenwettbewerb ausgearbeitet. Seine Vertreterin Judith Praxenthaler führte unterstützt von ihrem Kollegen Christian Schwander durch die Sitzung. Zu Beginn wies sie darauf hin, dass 2 Tage nach der Zustimmung des Bauausschusses der Wettbewerb gestartet werde.
Der Wettbewerb werde von der Firma SANTINI (Erben Stanz-Schmidt) mit Zustimmung der Gemeinde ausgeschrieben. Es gehe um eine städtebaulichen Planung, die Hochbauplanung und die Planung des Freiraumes. Es gehe um das Gelände von der Bahnstraße bis zum Schulersteg.
Im Preisgericht wären als Sachpreisrichter vertreten: CSU-Bürgermeisterin Dr. Kössinger, Derksen/Grüne, Fleischmann/München, Klinger/CSU, Prof. Ottmann/München und Ruhbaum/MiFü.
Preisgelder: 245.000 Euro
Ziele: Wohnen, Gewerbe, Kindergarten und Gaststätte unterbringen. Erholung ermöglichen. Die Identität Stockdorfs erhalten und die Luftströmung von Süden her weiter sicherstellen.
Vorgesehen seien auf dem Westufer 10 Wohnungen mit 3-6 Zimmern bzw. 120-240 qm Wohnfläche, auf der Ostseite 20 Wohnungen mit 2-5 Zimmern bzw. 55-105 qm Wohnfläche. Auf der Ostseite soll das bestehende Wohnhaus mit seinen 16 Wohnungen abgerissen werden.
Debatte:
Heinrich Moser/Grüne wollte wissen, welche rechtlichen Folgen dieser Wettbewerb habe.
Praxenthaler: Jeder Entwurf könne und werde später noch geändert. Die kommunale Planungshoheit liege weiterhin bei der Gemeinde. Für den Gewinner sei es ein Auftragsversprechen. Nur wenn die Bebauung des Westufers abgelehnt werde, dann könne es vielleicht zu Entschädigungsforderungen an die Gemeinde kommen.
CSU-Bürgermeisterin Dr. Kössinger: Änderungen seien grundsätzlich möglich. Die Planungshoheit liege weiterhin bei der Gemeinde.
Moser: Reduktionen seien damit auch zulässig.
Schwander: Die Angaben zur Bebauung seien nur Maximalwerte.
Harald Ruhbaum/MiFü: Was sei der Unterschied zwischen Realisierungs- und städtebaulichen Wettbewerb?
Praxenthaler: Die Abgrenzung zwischen ihnen sei nicht eindeutig und klar. Aber auf jeden Fall bedeuteten sie kein Auftragsversprechen. Es gebe darüber hinaus auch noch den Ideenwettbewerb.
Dr. Kössinger: Die Gemeinde gehe keine Verpflichtung ein.
Hans Wilhelm Knape/Grüne fragte, ob denn ein Bauen auf dem Westufer rechtlich abgesichert sei. Nicht, dass es der Gemeinde wie mit dem Bohrplatz für die Geothermie gehe, bei dem es sich erst jetzt herausgestellt habe, dass in Bayern ein Bohren in einem Wasserschutzgebiet gar nicht erlaubt sei. Schließlich sei das Westufer Teil des regionalen Grünzuges entlang der Würm.
Dr. Kössinger: Es sei immer klar gewesen, dass der Bohrplatz im Wasserschutzgebiet liege. Es gebe jedoch Ausnahmen, in denen so etwas erlaubt worden sei.
Praxenthaler: Es sei nichts bekannt, was ein Bauen auf der Westseite nicht zulasse.
Schwander: Man könne nicht abschätzen, was da möglicherweise an Einwänden komme.
Franz Jaquet/CSU: Es sei ein Flugblatt von jemanden hier im Ausschuss verteilt worden. Da sei von Biotop die Rede. (Hier) Stimme das?
Praxenthaler: Das sei die Überschrift. Amtlich kartiert sei nur ein Streifen entlang der Würm, im Wesentlichen am Westufer bis zum Schulersteg. Grüne Flächen (Gehölze, 8 Meter Streifen am Ufer) dürfen nicht bebaut werden. Der Grund hierfür sei die Wertigkeit des Geländes mit seinen Fledermäusen und Vögeln. Und das Wasserwirtschaftsamt bestehe darauf, die Ufer freizuhalten. Es gehe um eine ökologische Aufwertung.
[Amtlich kartiert = staatlich geschützt. Der Begriff „Biotop“ ist nicht gleichzusetzen mit einem staatlich geschützten Schutzgebiet. „Ein Biotop ist der Lebensraum einer Lebensgemeinschaft wild lebender Tiere und Pflanzen.“ (Bundesnaturschutzgesetz § 7 Abs. 2 Nr. 4) Als Biotope werden natürlich entstandene Landschaftsbestandteile wie Bäche, Auen, Moore, Wälder etc. bezeichnet. (Wikipedia)]
Knape: Man sollte die Variante ohne einen bebauten Westteil zulassen. Aber leider disqualifiziere der Entwurf zum Wettbewerb eine solche Variante.
Praxenthaler: stimmt. Aber auch die Qualität der Ostseite sei wichtig. Es sei nicht möglich, das Bauvolumen West noch zusätzlich auf die Ostseite zu verlagern. Die Gebäude würden dann zu hoch werden. Man habe den Westteil schon auf 2.300 qm Bruttogeschossfläche verkleinert. Die Entscheidung müsse im Vorfeld getroffen werden, dabei müsse aber die Vergleichbarkeit der Entwürfe sichergestellt bleiben.
Knape: Wie groß sei der Spielraum?
Praxenthaler: Über das 4. Geschoss könne man diskutieren. Die Vorgabe an die Architekten seien rund 2.300 qm, d.h. +/- 100 qm.
Eberhard Brucker/SPD: Es gebe kein Gesetz, nachdem die Gemeinde für den Westteil Baurecht vergeben müsse. Das Westufer sei Außenraum und damit sei Stand heute dort das Bauen verboten. Zum Ostteil gebe es keinen Bebauungsplan, deswegen gelte hier der § 34 Baugesetzbuch. Damit bestimmen die Bauten in der näheren Umgebung, wie groß der Ostteil bebaut werden dürfe. In diesem Rahmen dürfen die Erben bauen. Bei diesem Projekt habe sich nicht die Gemeinde nach den Erben zu richten, sondern die Erben nach dem, was die Gemeinde dort haben will. Die Gemeinde sei zu nichts gezwungen. Die Rechtslage sei hier völlig klar.
Zuhörer applaudierten und Dr. Kössinger wies sie sofort zurecht.
Praxenthaler: Herr Brucker habe recht.
Markus Deschler/FDP: Eine Verlagerung würde zu 8-geschossigen Gebäuden auf der Ostseite führen. Es bestehe Konsens, dass das nicht zu Stockdorf passe.
Moser: Im Westteil seien 3 + 1 Geschosse nicht akzeptabel.
Eva-Maria Klinger/CSU: Der Entwurf zum Wettbewerb werde zu einem breiten Strauß an Möglichkeiten führen. Der Wettbewerb schaffe kein Baurecht. Es seien nur Angebote, dabei kann man nur bewerten, was vergleichbar sei.
Stefan Berchtold/MfG-Piraten: Der Westteil müsse sich in die Umgebung einpassen. Das sollte man vorher klären.
Schwander: Auch an der Bahnstraße gebe es 3-geschossige Häuser.
Dr. Kössinger: Man solle sich den ganzen Strauß an Möglichkeiten anbieten lassen und die Bauleitplanung [Flächennutzungs- und Bebauungsplan] abwarten.
Brucker: Wenn hier von einem "Strauß" gesprochen werde, dann werde es in Wahrheit nur einen Strauß mit einer Einheitsblume geben. 2.300 qm +/- 100 qm für die Westseite führe zu Entwürfen, die in ihrem Bauvolumen alle mehr oder weniger gleich seien. Es sei nicht zweckmäßig, jetzt die 2.300 zu beschließen, um sie dann in einem mühevollen Prozess auf eine 2-geschossige Bebauung runter zu rubbeln. Das führe schnell zur normativen Kraft des Faktischen, angesichts der dann nichts mehr geändert werden könne. Die Gemeinde habe sich nicht am Investor zu orientieren. Nicht die Erben seien der Dreh- und Angelpunkt, sondern das, was die Gemeinde für die Allgemeinheit für das Beste halte.
Knape: Ein Strauß sei gewollt, aber die Größe des Bauvolumen zu streng vorgegeben.
Praxenthaler: Es sei kein Ideenwettbewerb. Es gehe darum, was die Erben und die Gemeinde wollten. Es gehe um eine Vorlage für die Architekten. Für sie selber sei der Text gut. Auf der Westseite seien auch nur 3 Geschosse denkbar.
Abstimmung: Der Entwurf, der auch eine Bebauung des Biotops auf der Westseite vorsieht, wurde mit 8:5 Stimmen angenommen.
dafür:
CSU: Egginger, Elsnitz, Jaquet, Klinger, Dr. Kössinger
FDP: Deschler
MiFü: Ruhbaum
UBG: Eck
dagegen:
Grüne: Braun, Knape, Moser
MfG-Piraten: Berchtold
SPD: Brucker
Knapes Antrag, im Westen breiter und dafür nur 3-geschossig zu bauen, bekam keine Mehrheit.
Die Erben haben sich mit Hilfe der Mehrheit im Ausschuss durchgesetzt. Ein Aufwertungsgewinn von 15 Mio. Euro ist ihnen sicher. Was hat die Gemeinde davon?
Mal ist der Wettbewerb mit einem Auftragsversprechen an den Gewinner verbunden, dann wieder nicht. Damit wurden die rechtlichen Folgen dieses Wettbewerbes den Gemeinderäten völlig widersprüchlich dargestellt.
Den Westteil als Naherholungsgebiet zu preisen, ist angesichts der großen Bebauung Schönfärberei. Unberührte Natur geht dabei verloren. Den Kindergarten auf der Ostseite könnte man auch woanders bauen. Er ist damit kein Ausgleich für den Verlust des Biotops. Abgesehen davon, der Kindergarten ist keine soziale Gegenleistung der Erben, denn ein Kindergarten ist ein stabiler Mieter, ohne ständigen Mieterwechsel und ohne zwischenzeitliche Leerstände. Und die Kita wird dem Restaurant Gäste zuführen, was seiner Verpachtung auch wieder gut tut. Dass diese Wirtschaft Gäste von den anderen Gaststättenbetrieben an Baierplatz und Bahnstraße abziehen wird, wird verschwiegen. Ob diese alle überleben werden, ist ungewiss.
Das bestehende Wohnhaus am Ostteil mit seinen 16 Wohnungen soll abgerissen und stattdessen 20 Wohnungen gebaut werden. D.h. günstiger Wohnraum wird vernichtet und deutlich teurerer Wohnraum soll geschaffen werden. In Summe entstehen nur 4 zusätzliche Wohnungen. Zusätzlich werden am Westufer 10 sehr große Luxuswohnungen gebaut und das auf Kosten des Biotops, das dafür zerstört wird.
Von einer ökologischen Aufwertung war die Rede. Eine Aufwertung, indem man das Biotop mit Häusern, Zufahrten und Wegen bebaut? Wie so etwas möglich ist, bleibt ein Geheimnis. Ein großer Verlust für Artenvielfalt und Klima wurde in die Wege geleitet, zugunsten eines leistungslosen Gewinnes in Höhe vieler Millionen für die Erben und das mit Hilfe der Mehrheit von CSU, FDP, MiFü und UBG im Bauausschuss.
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