Enges Bauen soll beschleunigt und dafür die Satzung teilweise außer Kraft gesetzt werden.

26. Oktober 2022

CSU-Bürgermeisterin Dr. Kössinger will in Teilbereichen Gautings eine dichtere Bebauung zulassen. Dafür soll die Satzung, die die Abstände zwischen den Häusern festlegt, teilweise außer Kraft gesetzt werden. Sie beantragte eine Untersuchung, welche Gebiete in der Gemeinde dafür in Frage kämen. Die Mehrheit im Bauausschuss folgte ihr.

In Bayern wurde 2021 die Bauordnung geändert, so dass die Abstände zwischen Häusern von 100 % auf 40 % der Höhe ihrer Außenwände verringert wurde, mindestens aber 3 m. Für Industriegebiete und Gewerbeflächen gelten 20 %. D.h. bei einer Wandhöhe von 10 m müssen die Häuser nicht mehr 10 m, sondern nur noch 4 Meter auseinander stehen.

Die meisten Kommunen in Bayern wollten die sich anbahnende massive Bauverdichtung nicht, so auch Gauting. In Abstimmung mit dem Landratsamt hat der Gemeinderat eine eigene Satzung erlassen, in der die alte Abstandsregelung weiter gilt. D.h. bei einer Wandhöhe von 10 m bleibt es bei einem Abstand von 10 m.

Aus der Begründung der Beschlussvorlage, die Dr. Kössinger dem Gemeinderat am 12.1.2021 vorgelegt hatte:

Der hohe Siedlungsdruck im Gemeindegebiet und die immer weiter steigenden Grundstückspreise werden daher führen, dass die Mindestmaße der gesetzlich festgelegten Abstandsflächen weitestgehend ausgenutzt werden. Ohne eine auf die Gemeindesituation angepasste Festsetzung des Maßes der Abstandsflächentiefe würde sich die Wohnqualität im Gemeindegebiet nachteilig ändern. Eine ansonsten, über verkürzte Abstände, erwirkte Nachverdichtung wird nach Auffassung der Gemeinde auch nachteilige Auswirkungen auf den Wohnfrieden haben. Die Satzung über ein von der BayBO abweichendes Maß der Abstandsflächentiefe wird daher maßgeblich zur Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität und des Wohnfriedens beitragen. Daher wird seitens der Verwaltung vorgeschlagen, den Erlass dieser Satzung zu beschließen.

Die Debatte:

Stefan Berchtold/MfG-Piraten: Man sei sich doch einig gewesen, es bei der alten Regelung zu belassen. Ihm sei kein Anlass für eine Änderung bekannt. Wer wolle es denn - die Rathausverwaltung oder das Landratsamt?

Dr. Kössinger: Es sei rechtlich strittig, ob die alte Regelung für das gesamte Gemeindegebiet gelten dürfe. Beim Postgelände am Bahnhofplatz gebe es den ersten Fall. Auch Herr Eck meinte, man werde unglaubwürdig, wenn man nur über Bebauungspläne kleinere Abstände zulassen. Man sollte es untersuchen, welche Gebiete in der Gemeinde für verkürzte Abstände in Frage kämen. Dann könne man entscheiden.

Heinrich Moser/Grüne: Ein gutes Vorgehen zur weiteren Verdichtung. Wo ja, wo nein? Man sollte es mit der Stellplatzsatzung verbinden und auch die Grünflächen sichern.

Dr. Kössinger: Die Stellplatzsatzung habe nichts mit den Bebauungsplänen zu tun. Bei einer Kombination beider würde es zu komplex werden und wäre dann mit zu viel Arbeit verbunden, denn alle Bebauungspläne müssten überprüft werden.

Eberhard Brucker/SPD: Vor 1 Jahr seien wir uns einig gewesen, an der alten Abstandsregelung festzuhalten. An der Sachlage habe sich seitdem nichts geändert. Diese Regelung jetzt aufzuheben, auch nur teilweise, würde nur einen neuen Schub an Bauverdichtung in Richtung Verstädterung Gautings auslösen. Dabei mache gerade das viele Grün den Reiz Gautings aus.

Richard Eck/UBG: Wenn für bestimmte Bereiche eine neue Abstandsregelung eingeführt werde, dann komme es an ihren Grenzen zu Ungleichbehandlungen. Auf der einen Hausseite gelte die alte Regelung, auf der anderen Seite die neue.

Dr. Kössinger: Es bestehe die Gefahr, dass alles ungültig werde.

Eva-Maria Klinger/CSU: Wir würden uns nichts vergeben, es untersuchen zu lassen. Sonst würden wir sehenden Auges eine Klage in Kauf nehmen und so Gefahr laufen, dass die ganze Satzung den Bach runter gehe. Es sollte überprüft werden, um eine rechtssichere Auskunft zu bekommen.

Dr. Kössinger: Es sei auch der Wunsch der Bundesregierung, dass mehr verdichtet werde. Es gehe um bezahlbaren Wohnraum.

Brucker: Vor 1 Jahr haben die meisten Kommunen in Bayern mit Billigung der Staatsregierung Satzungen beschlossen, um an der alten Regelung festhalten zu können. Gauting habe seine Satzung mit dem Landratsamt als Rechtsaufsicht abgestimmt. Es sei damit rechtlich abgesichert. In der Presse sei bislang von Streitfällen nichts zu lesen gewesen, so dass man erst einmal die weitere Entwicklung abwarten sollte.

Abstimmung: mit 9:4 angenommen.

dafür:
CSU: Egginger, Elsnitz, Jaquet, Klinger, Dr. Kössinger
FDP: Deschler
Grüne: Knape
MfG-Piraten: Berchtold
MiFü: Ruhbaum

dagegen:
Grüne: Derksen (Referentin für Ortsentwicklung), Moser
SPD: Brucker
UBG: Eck

Von Dr. Kössinger wurde eine Drohkulisse - "rechtlich strittig" - aufgebaut. In der Beschlussvorlage war aber von einer solchen keine Rede. In der Sitzung selber legte sie auch keinen Nachweis oder Beleg vor. Es gibt also Stand heute gar keinen Hinweis oder Anlass dafür. Es war eine zweckgerichtete Drohkulisse, um auf dem unausgesprochenen Weg der Verstädterung Gautings einen Schritt weiterzukommen.

Pikant wird es, wenn extra für einen Investor auf dem Postgelände das Baurecht angepasst werden soll, indem man nicht nur die Stellplatzsatzung, sondern auch gleich noch die Satzung über die Abstände zu den Nachbarhäusern außer Kraft setzen will. Diese Bevorzugung und damit Ungleichbehandlung ist so offensichtlich, dass man dann doch lieber die Satzung ändern will, damit es nicht gar zu sehr auffällt. Und was Dr. Kössingers "bezahlbaren Wohnraum" angeht, so wird der Investor die marktübliche Miete verlangen und die liegt bei 13-16 Euro/qm. Bezahlbar für Erzieherinnen, Pflegekräfte, Sanitäter, Busfahrer, Feuerwehrleute, Polizisten und Rathausangestellte?

Die Begründung des Beschlusses von 2021 sagt alles. Dem ist nichts hinzuzufügen. Vor 1 Jahr wurde die Abstandsregelung beschlossen, Nach nur 1 Jahr wird sie schon in Frage gestellt. Bürgermeisterin und Gemeinderatsmehrheit haben keine mittel- bis langfristige Orientierung in der Ortsentwicklung. Kurzatmig springt man von Projekt zu Projekt. Was dabei herauskommt, kann besichtigt werden: zu wenige Kindergärten, überfüllte Schulen, Verkehrsstaus und schrumpfende Grünflächen.

Für Fragen, Hinweise und Meinungen Ihre E-Mail an: info@spd-gauting.de

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