Für den Investor auf dem Postgelände werden Bauvorschriften außer Kraft gesetzt

26. Oktober 2022

Der Investor stellte sich und sein Bauprojekt auf dem Postgelände an Bahnhofplatz und Hubertusstraße vor. Vorne ein 5-geschossiges Gebäude für Post, Arztpraxen und Dienstleister, dahinter zwei 4-geschossige Wohnhäuser mit je 19 Wohnungen. Als familiengeführtes Unternehmen sei man langfristig an diesem Objekt interessiert und werde es deswegen nach Fertigstellung auch nicht verkaufen.

Der Bauausschuss gab mehrheitlich einen "Vorhabenbezogenen Bebauungsplan" in Auftrag, um ihm das Bauen zu ermöglichen. Wie von ihm gewünscht, wird dabei die Satzung der Gemeinde zur Anzahl und Größe der Stellplätze und die Satzung zu den Abständen zu Nachbarhäusern außer Kraft gesetzt.

Zu dem Projekt gehört ein Mobilitätskonzept. Gegenüber der Stellplatzsatzung wird für die 2 Wohnhäuser das Angebot an Abstellplätze für Fahrräder und Lastenfahrräder von 120 auf 144 vergrößert und bei einem Angebot zu Car-Sharing die Anzahl der Stellplätze für Pkws von 48 auf 40 reduziert. Gleichzeitig wird die Größe der Auto-Stellplätze verkleinert.

Debatte:

Stefan Berchtold/MfG-Piraten: Er habe Bauchschmerzen. Er sei vor Ort gewesen und habe sich alles angesehen. Das vordere Gebäude werde höher als das Ärztehaus gegenüber. Da könne er nicht mitgehen. Das Vorhaben sei städtebaulich überdimensioniert.

CSU-Bürgermeisterin Dr. Kössinger: Schon bei "Gauting entfalten" habe sich 2013 Prof. Scheuvens dafür ausgesprochen, den Bahnhofplatz mit 2 markanten Gebäuden einzufassen. Frau Prof. Beer habe sich 2019 bei ihrem Entwurf zum Bahnhofplatz dem angeschlossen.

Markus Deschler/FDP: Ihm gefalle der Entwurf sehr gut. Er sehe es auch so, dass 2 Kopfbauten den Platz einrahmen sollten. Es sei architektonisch sehr gut gelöst. Wann wäre der Baubeginn?

Investor: Etwa in 1 Jahr. Der Bau würde 1-2 Jahre dauern. Für die Post werde eine Zwischenlösung bereitgestellt, da sie in den Neubau wieder einziehen werde. Man wolle ein 2. Tiefgaragengeschoss vermeiden, da sonst die Abstimmung mit der Bahn kompliziert werde.

Annette Derksen/Grüne (Referentin für Ortsentwicklung): Ihr gefalle der Entwurf sehr gut. Sie habe mit der Höhe kein Problem. Aber komme es zu einer Schluchtenbildung? Sei die SOBON* anwendbar? Angesichts der Energiekrise habe jeder eine große Verantwortung. Ein Holzbau sei zu bevorzugen. Wäre ein Stellplatzschlüssel von 0,8 pro Wohnung für alle möglich? Es sei schließlich am Bahnhof.

*Satzung "Sozialgerechte Wohnraumnutzung" der Gemeinde Gauting: "Der Planungsbegünstigte ist verpflichtet, mindestens 30 % des neu geschaffenen Baurechts, soweit es für den Wohnungsbau vorgesehen ist, einer Sozialbindung durch städtebaulichen Vertrag mit der Gemeinde zu unterwerfen."

Dr. Kössinger: SOBON werde geprüft.

Investor: Angesichts der Höhe werde es wohl eine Mischung aus Holz und Beton werden.

Eva-Maria Klinger/CSU: Sie finde den Entwurf gut, auch in seiner Höhe vertretbar. Jede zusätzliche Etage mache das Projekt wirtschaftlicher.

Richard Eck/UBG: Das hintere Wohngebäude sei eine Etage zu hoch. Wenn man darauf verzichte, dann wären die Probleme bei Stellplätzen und Abständen zu den Nachbarhäusern gelöst.

Franz Jaquet/CSU: Umso höher desto ökologischer.

Eberhard Brucker/SPD fragte, ob die Satzungen der Gemeinde zur Größe der Stellplätze und zu den Abständen zu den Nachbargebäuden eingehalten werden. - Der Investor verneinte beides. - Es sei irritierend, dass man sich über die Satzungen der Gemeinde hinwegsetze. Schließlich müsse man als Gemeinderat die Entscheidung nach außen vertreten. Was werden die dazu sagen, die sich bislang an die Satzungen gehalten haben und auch halten mussten? Bei einer solchen Ungleichbehandlung gerate man schnell in ein schiefes Licht.

Dr. Kössinger sofort: Laut Satzung könne man von ihr abweichen. Ein "Vorhabenbezogener Bebauungsplan" sei dafür der Weg.

Brucker: "Sie bewegen sich auf der juristischen Ebene, ich auf der politischen." Nach außen sei das zweierlei Maß nicht vermittelbar. Denn dieser Investor könne viel Geld sparen und werde somit bevorzugt.

Heinrich Moser/Grüne: Er sei auch vor Ort gewesen. Es sei die Höhe. Das vordere Haus am Bahnhofplatz werde höher als das Ärztehaus. Bei der Hubertusstraße werde es zu einer Schluchtenbildung kommen. Die Gestaltung des Bahnhofplatzes gehöre dazu.

Dr. Kössinger: Der Platz könne erst geplant werden, wenn die Absichten der anderen Anlieger geklärt seien. [Hotel Simon und die kleinen Gebäude daneben]

Berchtold: Beim vorderen Haus sollte es eine Etage weniger sein.

Deschler: Es sei das Zentrum, die die Höhe vertrage. Und mit dem Gefälle zum Postgelände hin verschwinde die Höhe.

Harald Ruhbaum/MiFü: Der Kopfbau am Bahnhofplatz sei gerechtfertigt. Man solle dem Vertrauen schenken. Das Mobilitätskonzept sei mit dem Beispiel München schön gerechnet. Wir seien hier nicht in München. Aber vielleicht müsse er noch etwas hinzulernen.

Dr. Kössinger: Verdichtung beim Bahnhof zu einem urbanen Zentrum und dafür die grünen Wohnviertel. Ökologisch gehen das nur mit der Höhe. Das sei zukunftsträchtig.

Brucker: Es sei ein schönes Projekt und dass Wohnungen zu bauen seien, sei unstrittig. Aber es gehe auch um den Erhalt des Ortsbildes. Architektonisch sei eine Einrahmung des Platzes durch 2 größere Gebäude im Süden und Norden eine ansprechende Lösung. Aber mit dem Sontowski-Gebäude gebe es bereits einen außerordentlich massiven Bau. Deshalb würde gegenüber ein 3-4 geschossiges Gebäude zur Abrundung des Platzes völlig ausreichen. Der 5-geschossige Entwurf sei höher als alle anderen Gebäude bis hin zum Sontowski-Bau. Die massive Bebauung von Sontowski jetzt auf dem Postgrundstück zu wiederholen, passe nicht, denn im Unterschied zu Sontowski rage das neue Vorhaben weit in ein Wohnquartier hinein. Man könne es an den Einfamilienhäusern auf der gegenüberliegenden Seite der Hubertusstraße sehen. Sie seien nur halb so hoch. Der Übergang sei zu schroff, das Vorhaben damit für Gauting eine Nummer zu groß.

Dr. Kössinger: An der Buchendorfer Straße sei es genauso. "Ja, wir sind anderer Meinung."

Abstimmung über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, um das Projekt in vorgestellter Größe bauen zu können: mit 9:4 angenommen.

dafür:
CSU: Egginger, Elsnitz, Jaquet, Klinger, Dr. Kössinger
FDP: Deschler
Grüne: Derksen (Referentin für Ortsentwicklung), Knape
MiFü: Ruhbaum

dagegen:
Grüne: Moser
MfG-Piraten: Berchtold
SPD: Brucker
UBG: Eck

Als das heutige Postgebäude vor Jahrzehnte zweistöckig gebaut wurde, hatte man sich an die zweistöckige Einfamilienhausstruktur der umgebenden Wohnbebauung angepasst. Heute will man den Platz abrunden, blickt dabei aber nur auf den Platz. Die angrenzende Wohnbebauung wird völlig ausgeblendet. Ist das vordere Gebäude schon für den Bahnhofplatz zu groß, so sind die zwei hinteren neben den Einfamilienhäusern erst recht zu hoch. Großstädtische Bauten passen nicht zu Gauting. Wären die drei Gebäude jeweils 1 Etage niedriger, dann wäre es ein gutes Projekt.

Vor 2 Jahren hat man die Stellplatzsatzung verabschiedet. Die Pkw-Stellplätze wurden etwas vergrößert. Begründung: Die Autos werden immer größer und passen häufig nicht mehr auf die Stellplätze, so dass sie dann auf der Straße stehen. Zugeparkte Straßen wollte man vermeiden. Jetzt werden die Stellplätze extra nur für diesen Investor wieder verkleinert. Sind in den 2 Jahren auch die Autos wieder kleiner geworden?

Vor 1 Jahr hat man die Satzung zu den Abständen zu den Nachbarhäusern verabschiedet. Man wollte, wie viele andere Kommunen auch, verhindern, dass die Änderung der bayerischen Bauordnung eine große Verdichtungswelle auslöst. Sie würde das Ortsbild erheblich verändern. Die Abstände waren von 100 % auf 40 % der Wandhöhe verkleinert worden. Beispiel: Bei einer Wandhöhe von 10 m werden aus 10 m Abstand dann 4 m. Nach nur 1 Jahr wird jetzt die Abstandsvorschrift extra nur für diesen Investor außer Kraft gesetzt. Ortsplanung nach den Vorgaben eines Investors?

Dass ein Investor die Bauvorschriften nicht einhalten muss, ist Bevorzugung und damit hoch problematisch. Für Außenstehende erscheint das als Günstlingswirtschaft.

Ungeachtet der verringerten Anzahl an Stellplätzen und auch ihrer Verkleinerung haben FDP und MiFü dem Projekt zugestimmt. Dagegen haben beide bei AOA die Befürchtung, dass bei verringerter Stellplatzzahl die Straßen zugeparkt werden und haben genau deswegen dagegen gestimmt. Eine überzeugende Politik?

Für Fragen, Hinweise und Meinungen Ihre E-Mail an: info@spd-gauting.de

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