Sollte man die unberührte Würm-Aue mitten in Stockdorf bebauen?

06. Juli 2022

Die Erben der Firma Stanz-Schmidt wollen ihr Betriebsgelände mitten in Stockdorf zusammen mit dem gegenüber am Westufer der Würm gelegene Gelände vermarkten. Der Betrieb wird aus Gauting wegziehen, die meisten Betriebsgebäude abgerissen und stattdessen sollen Wohn- und Geschäftsgebäude gebaut werden.

Die Erbengemeinschaft nutzte das Stockdorfer Fest, um die Besucher zu ihrem Projekt zu befragen. Eine Beraterfirma organisierte es. Das Ergebnis wurde im Bauausschuss vorgestellt.

Der Berater sprach ganz begeistert von einer einzigartigen Befragung. Die 16 Interviewer hätten keine Pause gemacht, fast nichts gegessen und getrunken und an diesem Wochenende von morgens bis abends insgesamt 2000 Gespräche geführt. Man möchte gerne das Projekt weiter begleiten.

Die 2000 Gespräche führten zu 188 ausgefüllten Fragebögen. Davon kamen 112 von den 4.400 Stockdorfern und 7 von den 15.600 Gautingern (nur Ortskern). Insgesamt sprachen sich 140 für das Projekt aus, 17 dagegen und 31 enthielten sich. Auf den Fragebögen wurden Hinweise gegeben:

Natur berücksichtigen
moderate Bebauung
Gewerbe, Gastronomie, Kindergarten ansiedeln
Öffnung für Naherholung
Sitzgelegenheiten schaffen
Ufer zugänglich machen
Bäume erhalten
im Einklang mit der Natur
bezahlbarer Wohnraum auf der Ostseite zur Starnberger Straße hin
Vormietrecht für Stockdorfer

Die Erbengemeinschaft bot ein zeitlich unbegrenztes Vormietrecht für Stockdorfer an.

Auch mit 40-50 Nachbarn sei gesprochen worden. Am Westufer haben sie seit Jahrzehnten nur die Würm vor sich, keine Zäune, nur Ruhe und Natur. Nun soll zwischen ihnen und der Würm gebaut werden. Es gebe Vorbehalte. Man sehe die eigene Privatsphäre bedroht und habe die Sorge, dass sich vor ihnen eine Party-Meile mit viel Lärm und Müll entwickle. Die Nachbarn betonten, dass man die Natur erhalten müsse. Insgesamt also erhebliche Vorbehalte, lobten aber, dass sie frühzeitig einbezogen worden seien.

Die Erben wollen den Nachbarn entgegenkommen. Man würde die Kosten für die Aufstellung von Zäunen übernehmen. Und den Weg entlang der Würm würde man abends um 20 Uhr zuschließen und erst morgens um 8 Uhr wieder öffnen.

Eva-Maria Klinger/CSU: "Herzlichen Dank! Eine tolle Geschichte! Die Befragung ist gut angenommen worden. Man hat die Informationen zu den Bürgern getragen. Jeder hatte die Chance, sich zu äußern. Die Stockdorfer haben sich schon immer gewünscht, dass das Würmufer zugänglich ist. Es ist positiv, dass man den Dialog weiterführen will. Ein gutes Ergebnis."

Heinrich Moser/Grüne: Es sei ein guter Weg, wenn er eingehalten werde. Absperren sei aber keine Lösung. Man müsse etwas für die Jugend machen. Die Öffnung sei wünschenswert. Die Pläne für das Westufer seien für sie der Schlüssel. Es fehle eine klimaschonende Entwicklung, eine Lösung zu Versiegelung und Energieerzeugung. Die Richtung passe, die Details seien offen.

Stefan Berchtold/MfG-Piraten: Die Befragung sei sehr spät angekündigt worden. Die Zustimmungsquote sei groß, weil die Pläne noch sehr allgemein seien. Man solle nicht gleich eine Absperrung anbieten, sondern die Diskussion zulassen und auch nicht gleich eine Entscheidung raushauen.

CSU-Bürgermeisterin Dr. Kössinger: Die Pläne müsste nun über einen "Städtebaulichen Wettbewerb" konkretisiert werden.

Der Vertreter der Erben betonte, dass man nicht den maximalen Profit wolle und dafür sei, die Bauten ökologisch in die Natur zu integrieren. Wenn das Gelände zur Bebauung freigegeben werde, dann biete man einen öffentlichen Weg entlang der Würm, vom Schulersteg bis zum Harmsplatz, mit einer Abzweigung über die Würm zur Starnberger Straße an.

  • Beim Grundstück des ehemaligen Wunderl-Hofes geht es dem Gemeinderat einhellig darum, die Würm zugänglich zu machen, aber die Uferbereiche und die Insel nicht zu bebauen. Auch die Flussaue in Stockdorf ist ein unberührtes Biotop mitten im Ort und als Überflutungsmulde eine Sicherheitsreserve für Hochwasser.

Die Umwandlung von Natur in Baugebiet würde das Gelände massiv aufwerten. Die Gemeinde hätte die Planungs- und Folgekosten (Kitas, Schulen ...) zu tragen und die Erben mit der Bodenwertsteigerung einen Gewinn in Höhe vieler Millionen, ohne etwas dafür geleistet zu haben.

Die Befragung hat nur eine sehr schmale Basis. Nur 119 Bürger aus Gauting haben einen Fragebogen abgegeben. Etwa 80 von ihnen befürworteten das Projekt. Die Befragung ist damit nicht repräsentativ.

Man muss die Flussaue nicht zubauen, nur um einen Weg entlang der Würm freizugeben. Man kann das Erste lassen und das Zweite trotzdem tun, wenn einem wirklich am öffentlichen Wohl gelegen ist.

Dennis Meadows, einer der Autoren der berühmten Studie "Grenzen des Wachstums" für den Club of Rome im Jahre 1972, meinte unlängst in einem Interview:

  • Wir haben es mit einem Menschen zu tun, der "einfach nicht in der Lage ist, kurzfristige Opfer für einen langfristigen Nutzen zu bringen". (SZ-Magazin Nr. 7 / 18.2.2022, S. 22)

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